Elternunterhalt & Sozialregress
Was passiert, wenn Eltern pflegebedürftig werden und diese die anfallenden Heimkosten nicht aus ihrem Einkommen oder mithilfe der Versicherung finanzieren können? In diesem Fall können Kinder zum sogenannten Elternunterhalt verpflichtet werden. Wir erklären Ihnen alles Wichtige zum Thema und wann Kinder verpflichtet sind, Ihren Eltern Unterhalt zu zahlen.
Die Menschen in unserer Gesellschaft werden immer älter und dadurch unter Umständen pflegebedürftig. Umgekehrt sind immer weniger Familien in der Lage, sich persönlich um ihre Angehörigen zu kümmern. Die Folge ist, dass ältere Menschen oftmals in einem Alters- oder Pflegeheim untergebracht werden müssen. Reichen Rente oder Pflegegelder nicht zur Deckung der oft hohen monatlich anfallenden Kosten aus, werden durch das Sozialamt zunächst Kosten der Unterbringung, Pflege und Verpflegung beglichen.
Vermehrt versucht das Sozialamt dann die verauslagten Kosten wieder bei den Kindern – teilweise sogar Kindeskindern - der pflegebedürftigen Generation oder gar deren Ehegatten beizutreiben (sog. „Sozialregress“). Hier stellt sich dann die Frage nach dem Elternunterhalt und in welchem Umfang Kinder bzw. deren Ehegatten für die ältere Generation – wie häufig der Eltern - unterhaltsrechtlich einstehen müssen.
Für Laien ist die Beschaffung aller relevanten Informationen sehr kompliziert und zeitaufwändig. Setzen Sie an dieser Stelle auf einen Anwalt, der Sie über alle rechtlichen Belange - verständlich - aufklärt. Gerne beraten wir Sie und sprechen über Ihre individuelle Situation.
Zum Zwecke des Sozialregress können Ansprüche auf Unterhalt der Eltern gegen die Kinder über eine „Rechtswahrungsanzeige“ auf den Sozialträger übergeleitet und dann von diesem selbst geltend gemacht werden. Denn: Nicht nur die Eltern sind gegenüber ihren Kindern unterhaltsverpflichtet, sondern auch umgekehrt. In einigen Fällen muss auch ein Kind für den Unterhalt seiner Eltern aufkommen. Im Gesetz ist geregelt, dass Verwandte in gerader Linie gegenseitig verpflichtet sind, sich Unterhalt zu gewähren (§ 1601 BGB), nicht aber die Schwiegerkinder oder gar nichteheliche Lebensgefährten der Kinder.
Allerdings ist diese aufsteigende („aszendente“) Haftung von Unterhalt anders als bei Kindes- oder Ehegattenunterhalt relativ schwach ausgestaltet. Fest steht auch, dass allein die Zahlung von Sozialhilfe für einen im Pflegeheim untergebrachten Elternteil durch den Sozialträger keinen schlüssigen Sozialregress-Anspruch begründet, wie das Oberlandesgericht Oldenburg bereits 2006 festgestellt hat.
Den Bedarf des Elternteils, der im Heim untergebracht wird, bestimmen die Kosten für eine einfache und kostengünstige Unterbringung zuzüglich eines gewissen – überschaubaren – Barbetrages (Taschengeld). Sodann muss der Elternteil seine Altersrente, Pflegegeld – welches auch fiktiv angerechnet werden kann – einsetzen, um seinen eigenen Bedarf so gering wie möglich zu halten. Erst wenn dann festgestellt ist, dass der Elternteil bedürftig ist, kommt eine Zahlung von Elternunterhalt überhaupt in Betracht.
Dann ist die Leistungsfähigkeit des im Wege des Sozialregresses in Anspruch genommenen Kindes zu überprüfen. Dabei werden vom Nettoeinkommen zunächst sämtliche monatliche Ausgaben abgezogen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer zur Beurteilung der Möglichkeit eines Sozialregress wichtigen Entscheidung geurteilt, dass niemand eine Verschlechterung des eigenen Lebensstandards hinnehmen müsse, wenn er zum Elternunterhalt heran gezogen wird - es sei denn, das Kind führte ein Leben im Luxus (BGH NJW 2003, 128).
Vom Sozialamt unangetastet bleiben muss das sogenannte Schonvermögen. Wie hoch dieses Vermögen ausfällt, kann nicht pauschal festgelegt werden, sondern wird je nach Einzelfall entschieden. Neben diesem Schonvermögen bleibt ebenfalls Ihr Angespartes (der „Notgroschen“) geschützt. Außerdem ist der Selbstbehalt, der den auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Kindern mindestens verbleiben muss wesentlich höher als beim Kindes- oder Ehegattenunterhalt. Er beläuft sich derzeit für Alleinstehende auf 1.800,00 €, für Verheiratete auf 3.240,00 €.
Von dem Betrag, der vom Nettoeinkommen abzüglich Selbstbehalt (und gegebenenfalls Schonvermögen) übrig bleibt, wird noch 10% Haushaltsersparnis abgezogen. Der Restbetrag wird daraufhin halbiert, da eine Hälfte auf den sogenannten konkreten individuellen Familienbedarf entfällt. Hierbei ist zu beachten, dass bei dem Familienbedarf allerdings – insoweit mittelbar – auch das Schwiegerkind herangezogen wird. Die Leistungsfähigkeit eines zum Elternunterhalt Verpflichteten bemisst sich nach einem Beschluss des BGH vom 05.02.2014 nicht allein nach dem eigenen Einkommen des Kindes, sondern auch unter Berücksichtigung der Teilhabe am Familieneinkommen. Diese Teilhabe sei durch den gegen den Ehepartner zustehenden Unterhaltsanspruch geprägt. Im Zweifel muss dann also auf der letzten Berechnungsstufe mit dem BGH festgestellt werden, ob gegen den eigenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch bestehe, um einen Sozialregress zu vermeiden. Das ist grundsätzlich nach der vorgenannten Entscheidung aber nur der Fall, wenn der Ehepartner des Kindes über höhere Einkünfte oder Vermögen verfügt.
Zur Verdeutlichung dienen die folgenden Rechenbeispiele:
1. Beispiel:
Mandant, alleinstehend, verdient netto monatlich 2500,00 €, bedient Ratenkredite mit monatlich 650,00 € und hat einen Fahrtweg zur Arbeit von 10km und damit berufsbedingte Aufwendungen für 10 x 2 x 0,3 EUR bei 220 Werktagen im Jahr je Monat – ergibt monatlich 110,00 €.
Einkommen: | 2.500,00 € |
Abzüge: | -110,00 € -650,00 € |
Delta: | 1.740,00 € |
Abzgl. Selbstbehalt: | -1.800,00 € |
Damit verbleibt kein Einkommen mehr für den Elternunterhalt. Der Mandant ist im Hinblick auf den Unterhalt der Eltern nicht leistungsfähig.
2. Beispiel:
Der Mandant, Sohn eines im Pflegeheim untergebrachten Herrn, in der Berechnung Unterhaltspflichtiger (=UP) genannt, verdient als Selbständiger netto 2.900,00 €, seine Frau 1.750,00 €. Er bedient einen Ratenkredit für ein Leasingfahrzeug von monatlich 350,00 €, hat berufsbedingte Ausgaben von 250,00 € (Ausgaben insgesamt im Monat also 600,00 €) und bedient den Kredit für das gemeinsam genutzte eigene Haus in Höhe von monatlich 1.200,00 €. Der Wohnvorteil liegt bei 600,00 € (=Vorteil, mietfrei zu wohnen).
Er allein läge damit unterhalb des Selbstbehalts, aber es ergibt sich wegen der Einkünfte der Ehefrau die folgende Berechnung:
bereinigtes Einkommen UP: | (2.900,00 €) |
bereinigtes Einkommen Ehegatte: | + 1.750,00 € |
zzgl. Wohnwert selbstgenutzte Immobilie: | + 600,00 € |
abzgl. Zins- und Tilgungslasten: | - 1.200,00 € |
bereinigtes Familieneinkommen: | 4.050,00 € |
abzgl. Familienselbstbehalt (Stand 2015): | - 3.240,00 € |
verbleiben: | 810,00 € |
abzgl. Haushaltsersparnis: | - 81,00 € |
verbleiben: | 729,00 € |
davon 1/2: | 365,00 € |
zzgl. Familienselbstbehalt: | 3.240,00 € |
individueller Familienbedarf: | 3.605,00 € |
Anteil UP (64%): | 2.307,00 € |
Einkommen UP: | 2.600,00 € |
abzgl. Anteil UP: | - 2.307,00 € |
Leistungsfähigkeit UP: | 293,00 € |
Damit verbleibt kein Einkommen mehr für den Elternunterhalt. Der Mandant ist im Hinblick auf den Unterhalt der Eltern nicht leistungsfähig.
Bei den obigen Fallbeispielen muss aber noch eines in den Fokus genommen werden: Es gibt eine eigene Immobilie, deren Verwertung vom Sozialhilfeträger regelmäßig gefordert wird. Der Bundesgerichtshof konstatiert aber auch hier, dass eine spürbare Senkung des Lebensstandards beim Elternunterhalt nicht gefordert und daher auch der Verkauf einer selbstgenutzten Immobilie nicht verlangt werden kann (so schon in der Entscheidung XII ZR 98/04 vom 30.06.2006). Allenfalls der Wohnvorteil selbstgenutzten Eigentums und damit die Mietersparnis (siehe obiges Beispiel 2.) ist bei der Leistungsfähigkeit zu bewerten. Nach einer Entscheidung des BGH vom 18.01.2017 sind neben den Zahlungen auf die Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwertvorteils (=Auffüllung des Wohnwertvorteils) und alsdann als sekundäre Altersvorsorge anzurechnen (BGH, Beschluss vom 18.01.2017 – XII ZB 118/16).
Festzuhalten gilt, dass einer pauschalen Inanspruchnahme durch die Sozialträger nicht gefolgt werden kann und vielmehr die Umstände des Einzelfalls eingehend zu prüfen sind, um die Inanspruchnahme auf Unterhalt für Eltern zu vermeiden.
Bei Elternunterhalt und Sozialregress gibt es viele rechtliche Vorgaben und Formalitäten zu beachten. Oftmals ist es notwendig, sich in schwierigen Lebenslagen mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenden Sie sich an uns – wir beraten wir Sie umfassend und persönlich zu all Ihren Fragen! Wir ermitteln für Sie den genauen Unterhaltsanteil, den Sie für Ihre Eltern zu leisten haben sowie die Unterstützung, die Ihnen von staatlicher Seite zusteht. Als erfahrene Fachanwälte vertreten wir Ihre Rechte gegenüber dem Sozialamt und anderen Institutionen.
Nehmen Sie noch heute Kontakt auf und vereinbaren einen Beratungstermin!
Rufnummer: 02302 / 96 19 90